Firmengeschichte Plössl


Simon Plössl (1794 - 1868) wurde als Sohn eines aus der bayerischen Pfalz nach Wien eingewanderten Tischlers geboren. Von 1807 bis 1811 ging er bei einem Drechsler in die Lehre. Seit 1812 bis 1823 arbeitet er - zunächst als Lehrling dann als Geselle - bei Johann Friedrich Voigtländer in Wien.

 

Neben seiner Arbeitszeit bildete Plössl sich in Kursen für Mathematik und Optik fort und legte die Prüfung zum Optiker ab. Zunächst richtete sich Plössl 1823 eine kleine optische Werkstatt in der elterlichen Wohnung in Wien, Freudgasse 5, ein und fertigte mit großem Erfolg Feldstecher und aplanatische Lupen.

 

Seit 1826 produzierte Plössl bis zu seinem Tod Mikroskope. Das erste Preisverzeichnis erschien 1828. Plössl's Glanzzeit erstreckte sich zwischen 1830 und 1850. Plössl verbesserte seit 1830 mit neuen Kombinationen die übereinander geschraubten achromatischen Objektive, die schon vorher von Selligue und Chevalier entwickelt worden waren.

 

Die Mikroskope Plössl's waren schon bald von vielen Wissenschaftlern nicht nur in Österreich gefragt. Wie aus einer Lieferliste von 1835 hervorgeht, wurden in diesem Jahr insgesamt 115 Mikroskope hergestellt. Davon gingen 44 Mikroskope ins Ausland. 59 der 115 Geräte waren große Mikroskope, der Rest mittlere und kleinere.

 

Inzwischen zu Wohlstand gekommen, verlegte Plössl 1835 seine Werkstatt in ein eigenes größeres Haus in Wien, Feldgasse 15. Um 1855 lautete die Adresse dann Wien, Alte Wieden, Theresianumgasse, an der Ecke Schmöllergasse 11.

 

Plössl übernahm in seinen letzten Jahren nicht den durch Oberhäuser und Hartnack vorgegebenen Hufeisenfuß, der sich inzwischen seit ca. 1850 auf dem Kontinent gegen die englischen Stative durchzusetzen begann. Erst durch M. Wagner werden - wenn auch mit einigen Jahren Verzögerung nach Plössls Tod - Hufeisenstative angeboten.

 

 

 

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Typische Signatur auf den Mikroskopen Plössls "Plössl in Wien"

 

 

 

 

"Der 1868 verstorbene Plössl war der eigentliche Nestor der deutschen Mikroskopenverfertiger, denn obgleich Fraunhofer der erste war, welcher dem von Amici und Chevalier eingeschlagenen Wege folgte, so hat derselbe doch dem Mikroskop wenig Aufmerksamkeit geschenkt und seine Tätigkeit vorzugsweise dem Bau des Fernrohres zugewendet".

 

Der Tod Plössl's hinterließ eine große Lücke in der Produktion von Mikroskopen. Interessant sind die Folgen, denn die österreichischen Firmen sahen sich außerstande, diese Lücke rasch zu schließen. So kam die Konkurrenz aus dem Ausland zum Zug. In Österreich fanden die Mikroskope von Hartnack wegen ihrer handlichen Stative und ihrer stärkeren, gut auflösenden Objektivsysteme große Verbreitung. Durch das Fehlen der österreichischen Konkurrenz konnte Hartnack aus Paris bald in Österreich und dem Orient eine dominierende Stellung erlangen, und die meisten Instrumente öffentlicher Untersuchungsanstalten und Universitätsinstitute wurden von ihm bezogen.

 

Nach Plössl's Tod ging die Firma zunächst in den Besitz seiner Tochter Anna Fleckenstein über und firmierte dann als "S. Plössl & Comp." Nachdem der k. k. Hofoptiker und –mechaniker Matthäus Wagner die Firma 1874 übernommen hatte lautet der Firmenname dann laut einer Preisliste aus dem Jahre 1875 "S. Plössl & Cie." In dieser Preisliste bietet die Firma "S. Plössl & Cie." unter anderem 5 Mikroskoptypen nach Plössl an: das große Mikroskop, ein mittleres, ein kleines und zwei Präparier-Mikroskope. Noch bis 1882 erscheinen die typischen Plössl-Mikroskope in den Angebotslisten, obwohl eine Produktion der zu dieser Zeit nicht mehr zeitgemäßen Mikroskope nicht nachzuweisen ist. Die Firma wurde 1905 aufgelöst.

 

 

 

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Mittleres Mikroskop von Plössl, ca. 1850

 

 

 

Die Eigentumsverhältnisse an der Firma Plössl entwickelten sich in den Jahren nach Plössl's Tod wie folgt:

 

1868 - 1871        Anna Fleckenstein geb. Plössl
1871 - 1874        Anna Fleckenstein und k. k. Hofoptiker * Matthäus Wagner
1874 - 1888        Matthäus Wagner
1888 - 1905        M. und M. Josef Wagner

 

 

 

 

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Großes Mikroskop von Plössl mit einem Rundfuß, ca. 1855 

 

 

 

 

 

Möglichkeiten einer Datierung der Plössl-Mikroskope

Da Plössl - wie auch andere Hersteller der ersten Hälfte des 19. Jh. - seine Mikroskope nicht nummeriert hat, taucht das Problem auf, wie eine möglichst genaue Datierung vorzunehmen ist. Eine Bestimmung der jeweiligen Entstehungszeit der Geräte lässt sich annäherungsweise mit Hilfe der Konstruktionsmerkmale und der Geräteausstattungen vornehmen.

 

Um sich einen Überblick über die von Plössl gefertigten Mikroskope zu verschaffen, ist es sinnvoll, eine Einteilung in die verschiedenen Gerätetypen vorzunehmen.

 

 

Einteilung der von Plössl hergestellten Mikroskop-Typen:

 

(1)    Große und mittlere zusammengesetzte Mikroskope erscheinen seit
        1828 in den Preislisten.

(2)    Zusammengesetzte Taschen- oder Reisemikroskope erscheinen seit
        1828 in den Preislisten.

(3)    Seit 1833 wird ein weiteres kleineres zusammengesetztes Taschen-
        oder Reisemikroskop angeboten.

(4)    Seit 1843/44 wird ein pankratisches Arbeits- oder Dissektions- 
        mikroskop angeboten.

(5)    Einfache Mikroskope werden seit 1828 hergestellt.

 

 

Die typischen Mikroskope mit der Kursiv-Gravur "Plössl in Wien" - meist auf dem Tubus - dürften in der Zeit von 1829 bis 1868 entstanden sein.

 

Der Typ (1) hat einen Dreifuß und wird ab 1852 durch einen Fuß mit einer runden Messingplatte abgelöst. In den ersten Jahren fertigt Plössl eine runde Stativsäule mit aufgeschraubter Zahnleiste für die Dreifußgeräte. Diese Mikroskope werden einmal in einer Ausführung ohne Kippgelenk angeboten. Bei der Ausführung mit Kippgelenk ist nur der untere Säulenteil rund, der Tubus- und Tischträger besteht hingegen aus einer Dreikantschiene aus Stahl. Die Zahnleiste ist hier in die Stahlschiene versenkt. Nach Einführung des Rundfußes ab 1852 lassen sich die Geräte um ihre optische Achse drehen.

 

Die Art der Feineinstellung kann ebenfalls bei einer Datierung helfen. Für die mittleren Mikroskope des Typs (1) war kein Feintrieb vorgesehen. Bei den großen Geräten des Typs (1) wurde der Feintrieb erst im Preisverzeichnis von 1831 angeboten. Bei den großen Mikroskopen vor dieser Zeit ist der Objekttisch an der Dreikantschiene fest montiert. Bei den Geräten mit Feintrieb ab 1831 ist dieser mittels Mikrometerschraube auf den Objekttisch wirkend zunächst von unten zu bedienen. Erst ab ca. 1837 bis 1842 erfolgt die Bedienung des ebenfalls auf den Tisch wirkenden Feintriebs von oben.

 

Bei den mittleren Mikroskopen des Typ (1) fehlt der Kreuztisch und fast immer der Feintrieb (vgl. 25, S. 69). Diese mittleren Mikroskope haben nur 2 nummerierte Okulare und bis 1828 4 Objektive, bis 1850 dann 5 Objektive und später 6 Objektive. Auch bei diesen Geräten kommt die runde Stativsäule vor und später die Dreikantschiene. Hier besteht sie aber aus Kupfer, also nicht aus Stahl wie bei den großen Mikroskopen, selten aus Messing. Bei den Rundfußmikroskopen seit 1852 werden nur Dreikantstahlschienen verwendet.

 

Die Mikroskope des Typ (2) werden seit 1828 gebaut und haben erst einen Holzsockel und ab 1829 den Kasten mit einschraubbarer Säule als Fuß. Der Tubus besteht aus 2 miteinander verschraubten Teilen an einem horizontal schwenkbaren Arm. Der Grobtrieb wirkt auf den Objekttisch, ein Feintrieb kommt nicht vor.

 

Die Mikroskope des Typ (3) sind kleiner als Typ (2) und werden seit 1833 angeboten. Der Tubus befindet sich ebenfalls auf einem schwenkbaren Arm, seit 1840 auf einem feststehenden Arm (vgl. 25, S. 74).

 

Die Mikroskope des Typ (4) werden seit 1843/44 angeboten. Dieses pankratische Mikroskop besitzt ein bildaufrichtendes Okular und einen ausziehbaren Tubus, in den die erreichbaren Vergrößerungen eingraviert sind. Der Tubus sitzt auf einem durch Horizontaltrieb beweglichen Arm. Alle Arbeitsmikroskope sind mit einem Messingrundfuß ausgestattet.

 

Die Mikroskope des Typ (5) sind Einfach-Mikroskope. Seit 1828 wird ein "einfaches Reise- oder Taschenmikroskop nach Banks" angeboten. Robert Banks ist ein englischer Hersteller von Mikroskopen und produziert um 1820 in London u. a. Reisemikroskope. Zunächst werden 3, seit 1829 dann 6 einfache Linsen mitgeliefert.

 

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(Björn U. Kambeck, 05/2013)